Das sagenumwobene Diamanten-Sperrgebiet in Namibia - Teil 2

Städte und Geisterstädte

Nachdem die Deutsche Reichsregierung 1908 das Diamantensperrgebiet proklamiert hatte, boomte hier der Abbau der begehrten Steine. Für die vielen benötigten Arbeiter wurden in der Nähe zu den Schürfgebieten Unterkünfte errichtet. Kleine Siedlungen wuchsen innerhalb kürzester Zeit zu belebten Ortschaften heran:

 

Lüderitz

Der Name der 1883 gegründeten Stadt erinnert an die Landung von Adolf Lüderitz in der heute gleichnamigen Bucht (früher Angra Pequena = kleine Bucht). Nach den ersten Diamantenfunden gewann Lüderitz an Bedeutung, sowohl als Siedlung für die Arbeiter der Diamantengesellschaft, als auch als Hafenstadt für die Versorgung der Bergbausiedlungen mit Maschinen und Waren aus Deutschland. Immerhin überlebte Lüderitz den Wegfall des Diamantenbooms und konnte seine Einwohnerzahl von ca. 2.000 in den 1970er Jahren auf 12.500 bei der Volkszählung 2011 versechsfachen. Heute leben die Menschen in Lüderitz hauptsächlich vom Fischfang und Tourismus.

 

Kolmanskop (Kolmannskuppe)

Aus der kleinen, auf einer Hügelkuppe gelegenen Siedlung ca. 10 km östlich von Lüderitz entwickelte sich während des Diamantenrausches die wohlhabendste Kleinstadt Afrikas. Hier gab es neben Geschäften des täglichen Bedarfs wie Bäcker, Metzger und Tante-Emma-Laden auch eine Limonaden- und Sodawasserfabrik, eine Eisfabrik, ein Elektrizitätswerk und einen Bahnhof mit Zuganbindung nach Lüderitz. Außerdem eine Grundschule, Post, Polizeistation, Turnhalle, Tanzsaal, Theater, Casino und Kegelbahn. Das Krankenhaus von Kolmanskop war eines der modernsten im südlichen Afrika und besaß das erste Röntgengerät auf der Südhalbkugel. Dieses diente weniger medizinischen Zwecken. Es wurde hauptsächlich genutzt, um Diamantendiebe zu entlarven, die ihre Beute im eigenen Körper versteckt hatten. Wer seinen Job hier beendete, musste zwei Tage lang Rizinusöl trinken, um sicherzustellen, dass keine Diamanten im Körper hinausgeschmuggelt wurden. Von seiner Lage her konnte ein Ort lebensfeindlicher kaum sein: Es gab kein Wasser, keinen Regen, keinen fruchtbaren Boden, um irgendetwas anzubauen. Trotzdem stand den damals rund 400 Einwohnern sogar ein Salzwasserschwimmbecken zur Verfügung und es wurden mehrgeschossige Steinhäuser errichtet, die einer Kleinstadt in Deutschland Ehre gemacht hätten. Wasser und Nahrungsmittel mussten aus dem 1.000 km entfernten Kapstadt herangeschafft werden. Baumaterial, Maschinen und Einrichtungsgegenstände kamen per Schiff aus Deutschland bis Lüderitz und von dort mit der Schmalspurbahn nach Kolmanskop. Doch so kometenhaft wie ihr Aufstieg vollzog sich auch der Fall der Siedlung. Die Diamantenförderung verlagerte sich immer mehr nach Süden. 1931 wurde der Diamantenabbau in der Umgebung gänzlich aufgegeben. Die Menschen zogen fort und ließen Gebäude und Einrichtungen zurück. Kolmanskop wurde zur heute bekanntesten Geisterstadt des Sperrgebietes.

 

Elizabeth Bay

In der Elisabethbucht treffen sich zwei Gegensätze mit voller Wucht aufeinander - das Meer mit seinen kräftigen Wellen und die Wüste, wo der Wind den heißen Sand aufwirbelt und wie Geister tanzen lässt. Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass Elizabethbay bis vor wenigen Jahren ein bewohnter Ort war. Die malerisch gelegene ehemalige Hafenstadt profitierte ebenfalls vom Diamantenboom in Namibia. Hier wurde in mindestens zwei Etappen Diamantenabbau betrieben, 1908 bis 1950 und ab 1991 bis 2018. Das rostige Gerippe der vor fünf Jahren noch aktiven Diamantenwaschanlage ragt anklagend in den blauen Himmel und erinnert an die Überreste eines abgestürzten UFOs. Lass Dich durch den beeindruckenden Meerblick nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Leben in den Massenunterkünften kein Sommerurlaub war. Hierher kamen hauptsächlich Glückssucher in der Hoffnung auf schnelles Geld. Das verspielte manch einer ebenso schnell wieder im örtlichen Casino.

 

Oranjemund

Für die Stadt an der Mündung des Oranje-Flusses in den Atlantik waren die Diamantenfunde Fluch und Segen zugleich. Der Ort wurde 1936 von der Consolidated Diamond Mines of South West Africa (CDM) als Wohnort für ihre Mitarbeiter gegründet. Zahlreiche Annehmlichkeiten wie Freizeiteinrichtungen, Privatkrankenhaus, Schulen und selbst der schöne Atlantikstrand konnten 80 Jahre lang nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Menschen hier im Sperrgebiet lebten, das nur mit Sondergenehmigung betreten und verlassen werden durfte. Seitdem sich der Diamantenabbau weiter ins Meer hinaus verlagert hat und mit Spezialschiffen wie der "Mafuta" betrieben wird, gibt es erste Lockerungen des "Dauerlockdowns" der "Verbotenen Stadt". Oranjemund hatte 2011 bei der Volkszählung 3.900 Einwohner. Diese hoffen auf den Erhalt bestehender Firmen, Ansiedlung neuer Unternehmen und eine Zukunft ihrer Stadt als Touristenort, damit ihr ein Schicksal wie Kolmanskop und anderen Geisterstädten erspart bleibt.

 

Grillenthal

Ein weiterer Ort mitten im Nirgendwo, an dem sich vor gut 100 Jahren Diamantensucher ansiedelten. Dank einer Wasserquelle konnten sie sich und umliegende Diamentengräbersiedlungen mit Frischwasser versorgen. Die massiv gebauten Häuser sind heute noch relativ gut erhalten. Außer Sandvipern und anderem Wüstengetier wohnt allerdings niemand mehr in dieser Geisterstadt.

Fotos: Claudia & Wynand du Plessis | https://www.nashorn-nirwana.de/ | https://www.namibia-lovers.com/

 



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